Summarium

Die modernen Systemtheorien sind der Bezugsrahmen für die moderne Gestaltpädagogik. Was die alten Gestaltpsychologen ‚Ganzheit‘ nannten, ist ein System mit der höchsten erreich­baren Komplexität. Eine solche Ganzheit ist zwar nicht zu durchschauen und nicht zu diagnostizieren, ist aber als Evidenzerfahrung zugänglich.

Soziale Systeme sind dynamisch. Das Wechselschema von Gestalt und System, die Ten­denz offene Gestalten zu schließen, Sinnsuche und Sinnfindung, zirkuläre Prozesse und äußere Anstöße halten sie in Bewegung.

In hochkomplexen  Systemen sind gezielte Steuerung und Veränderung nur möglich, wenn Komplexität reduziert wird. Gestaltpädagogik reduziert auf ‚Gestalten‘. Gestalt aber ist nicht das Ganze, sondern das, was vom Ganzen in dieser Gruppe gerade jetzt wichtig ist, bevor anderes wichtig werden kann, woran wir jetzt nicht vorbeikommen, wenn wir weiterkommen wollen, was jetzt zu klären ist, bevor anderes geklärt werden kann, was jetzt verändert wer­den muss, damit andere Veränderungen möglich werden.

Zum Spezifischen der Gestaltpädagogik gehören:

·         Die Einsicht, dass unsere Gruppen undurchschaubar und unberechenbar sind

·         Gruppendynamische und persönliche Selbsterfahrung des Leiters

·         Die Fähigkeit, Feedback zu geben und anzunehmen

·         Die Einsicht, dass wir mitstricken an den Verhaltensmustern unserer Gruppen

·         Das Vertrauen in ihre Dynamik

·         Der gemeinsame Prozess der Gestaltfindung

Zu den Schnittmengen mit anderen pädagogischen Konzepten gehören:

·         Die partnerschaftlich / emanzipatorische Pädagogik

·         Carl Rogers Gesprächstherapie

·         Didaktik als Lehre vom guten Unterricht

·         Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie, Lerntheorien

·         Kreative Medien

·         Gesellschaftliche und soziale Bedingungen, institutionelle Zwänge und politische Vorgaben

Gestaltpädagogik könnte eine Zukunft haben, wenn die Grenzziehung gelingt, wenn sie ein stimmiges System bildet, ein eigenständiges und überzeugendes Profil, das sich aus ihrem pädagogischen Umfeld heraushebt.

 

(Vortrag bei der 1. Europäischen Tagung für Gestaltpädagogik in Graz am 02.10.2005 von:
Prof. Dr. Rolf Bick, Alsbacherstr.50, 64404 Bickenbach)